Fabio Peng wollte immer beides sein: Lokführer und Pilot. Das hat er geschafft. Bekannt geworden aber ist er wegen seiner Fotos, die um die Welt gehen.
Ein fester Händedruck, ein freundliches Lächeln, warme Augen und eine lockere Begrüssung «Hallo, ich bin Fabio». Er könnte auch anders auftreten, denn Fabio Peng ist das, was man einen Influencer nennt. 27 000 Follower hat er auf Instagram, Zeitungen in aller Welt drucken seine Bilder ab, TV-Stationen berichten über ihn. Der Grund: Mit sicherem Gespür fängt er besondere Stimmungen und Situationen entlang der RhB-Strecke ein: Wenn ein neuer Tag im Engadin geboren wird oder wenn die Nacht kurz davor ist, die rotglühenden Berge zu verschlucken, dann drückt er auf den Auslöser. RhB-Züge im Schnee, am Wasser, auf Brücken, in Bahnhöfen – sie sind in seinem Fokus. Doch dem 34-jährigen Bündner, der eine grosse Ruhe ausstrahlt, ist diese Bekanntheit nicht zu Kopf gestiegen.
Ruhe und Vertrauen spielen eine grosse Rolle in seinem Leben. Peng ist Lokführer bei der RhB, und wenn er einen Zug steuert, vertrauen unzählige Menschen darauf, dass er sie sicher und pünktlich ans Ziel bringt. Er ist auch Privatpilot und fliegt Destinationen in ganz Westeuropa an. Das lässt aufhorchen: ein Bergler in der Luft? Dass ein aufgeweckter Bündner eine Lehre bei der Rhätischen Bahn (RhB) macht, ist nicht aussergewöhnlich. «Ich bin neben den Gleisen aufgewachsen», sagt Peng dazu. «Ausserdem waren meine Eltern begeisterte Bahnfans und nahmen uns Kinder jeweils mit auf die Reise», erklärt Peng. Aber das Fliegen? «Ganz einfach», sagt er lachend, «die Bahnfahrten führten ab und zu auch zu Flugshows.» Und so kam es, wie es kommen musste. Nach einem Abstecher zu den SBB in Zürich erging es Peng wie so vielen Menschen aus dem Land der 150 Täler: Das Bahngleis in Richtung Berge ist das Schönste an der grossen Stadt. Heute ist Peng RhB-Lokführer, Spezialist für Vorschriften und Zulassung und eben auch Pilot.
Auf den Schienen ist vieles vorgegeben: die Geschwindigkeit, der Fahrplan, der Weg, das Ziel. «Sogar wenn ich wollte, könnte ich nicht schneller in eine Kurve fahren. Das Sicherheitssystem würde automatisch abbremsen», sagt Peng, der am liebsten im Winter unterwegs ist. Oder an Wochenenden, wenn viel los ist. Obwohl – von den Menschen, die zur Arbeit, in die Ferien oder einfach ins Blaue fahren, merkt er nicht viel. «Aber einen vollen Zug zu führen, macht irgendwie mehr Sinn.» Wird es auf einer Fahrt – etwa vom Fuss des Berninapasses bis hinunter nach Landquart – nicht auch mal einsam? «Nein», meint Peng. «Ich habe ja vorher und nachher mit Menschen zu tun, dazwischen geniesse ich das Alleinsein.» Wenn er nicht gerade Passagiere in halb Europa herumfliegt oder ein Segelflugzeug schleppt, ist er auch im Flugzeug allein. Aber sonst ist in der Luft alles anders als auf der Erde. Am Himmel hat noch keiner Schienen verlegt, kein Sicherheitssystem bremst die Geschwindigkeit und die sprichwörtliche Freiheit über den Wolken ist – zumindest im Raum Graubünden – noch fast grenzenlos. «Es gibt hier kaum Flugverbotszonen. Auf die treffe ich erst, wenn ich in die Nähe von grösseren Flughäfen oder ins Ausland fliege.» Für die Privatmaschinen gibt es keinen festen Fahrplan. Droht eine Schlechtwetterfront, liegt Nebel über den Bergen, ist es mit der Freiheit schnell vorbei. «Dann bleiben wir am Boden. Die Cessnas oder Tecnams sind dafür nicht ausgerüstet.»
So wenig ein Zug mit einem Flugzeug zu tun hat, so sehr ähnelt sich die Gründlichkeit der Kontrolle vor dem Start: Piloten und Lokpersonal gehen nach einer Checkliste vor, die vom äusseren Zustand des Fahrzeugs über das Funktionieren der Bremsen oder des Kommunikationssystems bis zu den Wetterdaten oder der Notfallausrüstung Dutzende von Punkten umfasst. Und wenn trotzdem etwas passiert? Etwa wenn ein Zug mitten auf der Strecke stehen bleibt? «Dann musst du ruhig bleiben, im Kopf die Liste der möglichen Fehler abrufen und einen Punkt nach dem anderen checken. Wer nervös wird, übersieht Naheliegendes – etwa eine simple Sicherung», weiss Peng. Und im Flugzeug? «Da gilt in etwa dasselbe – Hilfe kann in beiden Fällen aber auch von der Leitstelle kommen.» Dem Piloten Peng ist noch nie etwas Gravierendes passiert. Gott sei Dank. Denn am Himmel gibt es nicht nur keine Schienen. Wer sich dort oben bewegt, tut das ohne Netz und doppelten Boden. (ba)
In den Contura Stories bringen wir Ihnen die vielfältige Welt von Graubünden näher. Tauchen Sie ein in die Geschichten, die sich hinter den Kulissen von invia abspielen.